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B&B
Laks komponiert mit seinem Concerto da Camera nicht nur eine „Summe“ des Neoklassizismus – dominierender Stil der für Laks prägenden Epoche der 1920er und 1930er Jahre in Paris –, sondern tatsächlich auch ein Manifest für eine Musik, deren Syntax und Grammatik mit den Hörerfahrungen eines musikalisch gebildeten Publikums korrespondiert. Nicht nur die dreisätzige Anlage – schneller, langsamer, schneller Satz – geht zurück auf das klassische Solokonzert, auch die einzelnen Sätze nehmen Bezug auf die in der Wiener Klassik etablierten Modelle Sonatenhauptsatz, Lied, Sonatenrondo. Der Rekurs reicht bis tief in die musikalische Mikrostruktur, vom Aufbau der Themen bis hin zur Verwendung typischer, bereits im Barock formulierter satztechnischer „Modelle“. Besonders hinreißend das virtuose Hantieren mit diesen Modellen im letzten Satz, dessen konstituierendes thematisches Material auf dem „Pachelbel-Bass“ (Quarte abwärts, Sekunde aufwärts, Quarte abwärts etc.) basiert und der absteigenden Tonleiter in der Melodie, deren Fundament er bildet. Ein Lächeln kann man sich in der Tat nicht verkneifen bei dem witzigen „Streit“, den Laks kompositorisch vom Zaun bricht, wenn er das Klavier auf die Dur-Formel des Pachelbel-Motivs im Ensemble hartnäckig mit dessen Moll-Variante antworten lässt. Und dieses Spiel in der Reprise natürlich umdreht. Das ist musikalische Rhetorik vom Feinsten. Laks gibt dem Hörer Mittel zur Orientierung, um ihn von sicherem Bodem aus in unbekanntes Terrain zu entführen. Das thematisch-harmonische Material des zweiten Satzes beispielsweise ist ultrachromatisch, quasi permanent 12-tönig, ohne dass dabei der Verlust eines harmonischen Zentrums erfahren wird – Laks beschreibt dieses Phänomen im Interview mit Tadeusz Kaczynski von 1964 mit dem von Szymanowski geprägten Begriff der Tonizität (Tonalnosc) als einem dritten Weg zwischen Tonalität und Atonalität/Dodekaphonie.
In diesem dritten Satz des Concerto zitiert Laks aus seiner 1936 komponierten, Szymanowski gewidmeten Suite polonaise – es handelt sich um eine polnische Volksliedmelodie. Damit spannt Laks einen Bogen zur Vorkriegszeit: mit der Suite polonaise für Violine und Klavier war er 1937 für die polnische Sektion beim Festival der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik vertreten – neben seinen Erfolgen als Komponist für den polnischen Tonfilm eine Meilenstein auf dem Weg in die internationale Musikszene. Damit wiederholt er in einer späteren, kompositorisch fruchtbaren Phase seines Lebens auch sein Bekenntnis zur wichtigsten Figur der polnischen Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und bekräftigt, als Wahl-Pariser, seine Verwurzelung in der Musik seiner Heimat. Neben Szymanowski tritt aber auch der prägende Einfluss der französischen Ästhetik offen zutage und, vor allem im zweiten Satz, Laks’ Bewunderung für den raffinierten Neoklassizismus Ravels.
Frank Harders-Wuthenow
Holger Groschopp, piano / Deutsches Symphonie-Orchester Berlin / Johannes Zurl
eda records EDA 048