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Music Text

Libretto von Hans-Ulrich Treichel; engl. Übersetzunbg von Amanda Holden (dt., engl.)

Scoring

S,M,A,CT,T,dramBar,Bar,B; 2T,2B soli from chorus; mixed chorus;
3(II,III=picc,II=afl).2(II=corA).0.Ebcl.bcl.2.dbn-0.4(I,II=picctpt).3.dbtuba.2Wagner tubas(T,B)-timp.perc(5):anvil/BD/8gongs/3tam-t(hi,med,lo)/t.bells/susp.cym/cym/3wdbl(hi,med,lo)/2tom-t(med,lo)/maracas/guiro/SD/cast/crot/sizzle cym/marimba/whip/glsp/tgl/vib/ratchet/claves/2bongos(hi,med)-2harps-pft-cel-pedal org-strings(min.12.10.0.6.4)-tape; kbd instruments require only 2 players; on-stage small hand perc to be played by 5 singers

Abbreviations (PDF)

Opera
For full details on this stagework, including synopsis and roles, please visit our Opera section.
Publisher

Bote & Bock

Territory
This work is available from Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.

Availability

Uraufführung
10/7/2006
Oper, Frankfurt a.M.
Christian Pade, director / Oper Frankfurt / Markus Stenz
Composer's Notes

Alle von mir gewählten Stoffe besaßen bislang einen Bezug auf mich, meine Existenz oder meine Mitmenschen. Das Historische dieser Stoffe läßt gleichsam nur deren Metaphorik hervortreten.

Caligula aber ist die erste Oper, die ich über das Innenleben, den Seelenzustand einer einzigen Figur und ihre Wirkung nach außen schreibe. Nicht, was mit der Figur geschieht, sondern was sie mit anderen macht, wird hier zum Ausdruck gebracht.
Gleichwohl ist die Oper Caligula, auch wenn sie mit dieser Form experimentiert, kein innerer Monolog.

Wir sehen die Welt mit Caligulas Augen, begeben uns tief in sein Gehirn.

Ich erblicke darin eigentümlich verbogene, bizarre Formen – durchaus vergleichbar mit einem Blick durch ein vielfarbiges Prisma. Caligula erkennt eine Möglichkeit, das Leben zu verbessern. Indem man den Menschen EINEN wahrhaft freien Menschen vorführt, nämlich sich selbst. Caligula inthronisiert das eigene Ich als Totalität. Diese Totalität aber endet geradezu notwendig in dem Verdacht, dass Wahrheit nur im Inneren existieren kann. Außerhalb des Ich herrscht die universelle Lüge. Deshalb müssen – eine unerbittliche Logik – alle anderen sterben. Caligula begreift das am Ende. Kurz vor seinem Tod realisiert er, dass er gescheitert ist; aber nicht in dem Sinne, dass er die Menschen vernichtet hat, sondern dass sein Kampf um Wahrheit zum Scheitern verurteilt ist. Die zwingende Konsequenz: Wenn man die totale Freiheit demonstrieren will, bedeutet das die Auslöschung aller anderen und zuletzt die Selbstauslöschung.

Ausgehend von der mit dem Gehirnzentrum Caligula übereinstimmenden Idee der Zentrifugalkraft wählte ich ein großes Sinfonieorchester als Klangkorpus. Das ganze Stück ist komponiert aus der Physis Caligulas heraus. Das Orchester selbst ist Caligula. Das sind seine Venen, seine Nerven, seine Gehirnzellen, das ist sein musikgewordener Körper. Wenn die anderen auftreten, hören wir sie so, wie er sie hört.

Caligula ist durch den Tod seiner geliebten Schwester Drusilla in eine Art Taumel versetzt, in eine Unwucht, die immer größere Kreise zieht. Genau dies versuche ich klanglich zum Ausdruck zu bringen, indem ich dem Orchester keine Mitten zugestanden habe. Die mittleren Instrumente wurden herausgestrichen. Es gibt durchgehend in allen Instrumentengruppen nur Höhen und Tiefen - ein äußeres Mittel. Das zweite Mittel zielt aufs Innere. Die Oper basiert auf einem einzigen Akkord. Dieser Akkord besteht aus 28 Tönen, die übereinandergeschichtet sind und sehr komplizierte Intervallverhältnisse bilden. Wie muskulöse Dehnungen und Zusammenziehungen des Leibes scheinen sie sich zu verhalten. Durch sieben Oktaven von oben bis unten werden diese Spannungen vollzogen, vergleichbar mit dem Außer-sich-Geraten und dem Zusammenkrümmen. Dieses Körperspiel habe ich von Caligula übernommen und auf Musik übertragen. Wie in einem Spiegel habe ich versucht, dieses Sich-Krümmen in Intervallik zu übersetzen.

Es gab insgesamt drei Orchesterstücke, die Versuche waren, sich dem Caligula anzunähern: Katafalk, Burleske, Theatrum bestiarum, eine Art Vorstudie mit Elementen aus Caligula. Ich vollziehe das stets vor einer Oper, entwerfe Klangstudien, um Räume auszuprobieren .Immer hat sich dies Verfahrensweise als höchst hilfreich erwiesen.

Ich denke, dass das Theaterspielen, das Sich-auf-die-Bühne-Stellen, Singen, ein zutiefst im Menschen angelegter Wunsch ist. Es ist die Fortführung der Kindheit mit intellektuellen Mitteln, durch einen intellektuellen Filter. Es bleibt natürlich Spiel. Wir verifizieren unser Dasein in Form eines Spiels. Darin mögen wir alle ein wenig Caligula ähneln, dessen intensivste Passion außer sich selbst das Theater war. Wir werfen die Ideen, Gedanken, gesungene Worte hin und her, wir führen vor, tun so als ob – das ist eine Versuchsanordnung in Form eines Spiels. Wer hat das noch gesagt: Das spielende Kind berührt das Göttliche.

Press Quotes

Musik und Libretto sind von einer außerordentlichen Klarheit und Dichte. Die dramatische Konstruktion ist filigran und nachvollziehbar; die Musik spart einerseits nicht mit Effekten und Extremen, folgt andererseits aber der verbalen Gestaltung abwegiger Machtausübung derart aufs Wort, dass man hier das Wort kongenial verwenden kann.
Hans-Hürgen Linke, Frankfurter Rundschau, 09.10.2006

Detlev Glanert gelang ein großer Wurf. Er schafft Klangbilder zwischen nervenzerreißender Stille und wüstem, orgiastischen Lärm. Das Orchester illustriert die seelischen Zustände von Caligula, führt das Publikum quasi durch die Hirnwindungen dieses mitnichten wahnsinnigen Menschen, der an der Wahrheit irre wird.
Peter Jungblut, B 5 aktuell, 09.10.2006

Albert Camus hatte den Traum, „Musik für fiebernde Stimmen des modernen Menschen“ zu schreiben. Durch die kraftvoll philosophisch sinnliche Klangsprache Glanerts wurde Camus Traum eingelöst. Ein überschäumend farbiges Musikdrama, das viele Bühnen erobern wird. Eine Komposition, die sich in die Reihe großer tönender Schicksalswerke einfügen wird.
Barbara Röder, Scherzo 11/2006

Subjects
Recommended Recording
cd_cover

Holland / Schuster / Wölfel / Frank / Adamonyte / Lazar / Volle / Zechmeister / Frankfurter Opern- und Museumsorchester / Chor der Oper Frankfurt / Markus Stenz
OehmsClassics OC 932

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